Was macht eigentlich die Stadtschreiberin?

Radreise nach Lunzenau

Sophia Sabina Apitzsch ist in ihrem Leben viel unterwegs gewesen. Zu Fuss legte sie, will man der Legende glauben, mindestens 600 Kilometer zurück. Verglichen damit mag das eher mikroabenteuerlich anmuten, aber ich freue mich, auf mein Fahrrad zu steigen und ihren Spuren bis zu ihrem Geburtshaus in Lunzenau zu folgen. 

Ohne Schweiß kein Preis.

Es ist heiß an diesem Dienstag Morgen, also werde ich schwitzen. Von Augustusburg aus geht’s immer gut los: egal in welche Richtung: man fährt erstmal 10 Minuten den Berg hinunter.

Die Sonne brennt und vorbeimüssende Lastwagen sind eine nervliche Qual. Dagegen hilft ein bisschen Vivaldi im Ohr. Ein Zeitgenosse von Prinz Lieschen, ob sie seine Werke kannte?

Ich frage mich, ob ich technische Errungenschaften wie mein Rennrad hergäbe, wenn dafür auch die Errungenschaft zivilisatorischer Lärm verschwände. Große und kleine Autos auf Asphalt, Sportwagen, Lastwagen, Traktoren, Flugzeuge, Helikopter. Trotzdem ist Rennradfahren großartig. Ohne Zeitmaschine läßt sich das nicht entscheiden.

Irgendwann biege ich auf einen Feldweg ein, da klappert nur noch das Rad.

Nehmen wir an, Sophia wäre auf direktem Weg gewandert, in die umgekehrte Richtung – welche Bäume könnten schon gestanden haben? In Augustusburg die Schlosslinde. 

Sicht

Grasende Schafe (Blöken mit vollem Mund)

Frisch gemähte Wiesen (rochen die damals auch schon so, oder ist das eigentlich der Mähdrescher, den ich rieche?)

Kirchturmspitzen, Kirchen, Kreuze

Friedhöfe

Ziegen

Hügelan, hügelab 

brennende Sonne

Freude über schattige Waldwege


Was ich mir vorgenommen habe, ist geschafft! Das Geburtshaus ist zwar eine poetische Enttäuschung, aber fotografiert, wer weiss wozu. Ich kann mein Glück kaum fassen, gegenüber vom Lieschenbrunnen hat ein Café geöffnet. Der Brathähnchenstand duftet unerhört. 

Hunger.

Ich bestell mir einen Eiskaffee „ohne Sahne, bitte“, bekomme einen mit extra Sahne, lecker, und fülle meine Wasserflasche. Herrliche Erfrischungen. 

Im Zug nach Chemnitz denke ich dass es bestimmt keine so leichte Entscheidung ist, wegzugehen, wenn man nicht jederzeit den Zug zurück nehmen kann. Ich bin durchgeschwitzt und stinke, die Erfahrung teile ich vielleicht auch mit Lieschen, aber ob sich ihre Zeitgenoss*innen daran störten? 

Was ist nun die zu Anfang meines Ausflugs gesuchte „Nachhaltigkeit in Lieschens Person“? Bevor es „Prinz Lieschen“ gab, stand in Lunzenau auf dem Markt vielleicht keine so hübsche Statue, wer weiß. Aber viel wichtiger ist für mich, dass sie mich ermutigt, einem unkonventionellen Lebensweg zu folgen. Fantasie bei der Lebensgestaltung! Wer weiß, ob ich nicht mal als Königin ende? Was ich nicht versuche, kann schwer geschehen. Und das zweite, viel Wichtigere:

Immer schön hoch stapeln statt Licht unterscheffeln, Frau!